Kapitän Bart

Der Vollbart strahlt Dominanz und Männlichkeit aus. Kein Wunder, dass er oft und gerne von Führungspersönlichkeiten getragen wird. Speziell in reinen  Männergruppen ist es durchaus verbreitet, dass der Chef der Gruppe einen ordentlichen Bart trägt. Gut, bei Soldaten ist es eher unüblich, aber auf Schiffen ist es Gang und Gebe, dass der Kapitän Bart trägt und damit seiner Dominanz, neben dem Lametta am Ärmel auch in der Schiffssauna Ausdruck verleiht.

Schifferkrause

Der Klassiker unter den Bärten an Bord ist die Schifferkrause. Abraham Lincoln trug in seiner Präsidentschaft in den 1860er Jahren genau so einen Bart, aber auch manch ein Seemann schmückte sein Kinn mit so einem Bärtchen, das man auch Chin Curtain nennt. Aber nicht nur diese spezielle Bartform haben die Seefahrer häufig getragen, auch andere Bartformen waren durchaus beliebt. Vasco da Gama und Ferdinand Magellan trugen genauso Vollbart, wie Edward Teach und John Hawkins.

Zuerst kommt der Bart

Der Vollbart vereint zahlreiche Eigenschaften, die einem Kapitän durchaus zum Vorteil gereichen können. Wie schon erwähnt strahlt der bärtige Mann eine ganz natürliche Dominanz aus. Speziell unter den Bedingungen der Seefahrt, in der eine Gruppe von Männern Wochen und Monate auf einem kleinen Schiff eingeschlossen sind, erfordert eine strenge Hierarchie. Um sich leichter durchsetzen trugen und tragen zahlreiche Kapitäne eine Vollbart. Die Traumschiffcrew ist da eher die Ausnahme, allerdings muss man Sascha Hehn zugute halten, dass es auf seinem Ausflugsschiff eher flache Hierarchien gibt. Wer sich durchsetzen muss, der hat als Bartträger deutlich bessere Karten.

Leinwandbärte

Dass der Bart Eindruck macht, das weiss auch Hollywood. Zwar an das Original angelehnt, aber klar einem Klischee folgend ist der Kapitän der Titanic, Edward John Smith, der Rose und Jacks kurzer Liebe ein jähes Ende gesetzt hat, Bartträger. Ein geplegter short boxed beard in weiß unterstreicht die Erfahrung und den Rang des unglücklichen Kapitäns. Wer Johnny Depp durch die Karibik taumeln sah, der wird sich erinnern, dass auch in diesem Piratenfilmen reichlich Bärte im Spiel waren. Da gibt es natürlich Blackbeard, aber auch Barbossa und Davy Jones, der einen Bart aus Meeresfrüchten trägt. Auch Johnny hat für die Filmchen seinen üblichen Anchor ein wenig in die Länge gezogen.

Vorteile der bärtigen Seefahrt

Je nach Weltmeer, das man besegelt kann so ein Vollbart dem Seefahrer hervorragende Dienste leisten. Wie bekannt schützt die prächtige Gesichtsbehaarung das Gesicht des Mannes vor allen schädlichen Umwelteinflüssen. So werden Wind, Regen und Sonnenstrahlen abgehalten. Auch das ist ein schlagendes Argument für den Kapitän. Während die Crew stundenweise z.B. beim Deckschrubben den Kopf einmal runternehmen kann, so muss der Kapitän den ganzen Tag aufrecht stehend verbringen und mit klarem Blick und fester Hand für Ordnung an Bord sorgen. Dass er dabei auch mal ein paar Liter Regenwasser, oder den Wellengang ins Gesicht bekommt ist in seinem Fall Job-immanent.

Auch Sonne, Wind, Hagel und Kälte muss sein Antlitz genauso über sich ergehen lassen wie feindlichen Beschuss und da und dort mal einen Hieb mit dem Säbel. In solchen Extremsituationen kann ein Bart über Leben und Tod entscheiden. Wer also beim nächsten Entern nicht wie Dörrobst aussehen möchte, sondern eine gesunde Gesichtsfarbe mit markant männlicher Gerbung zur Schau tragen möchte, für den ist der Vollbart unverzichtbar. Gerne mit dem ausladenden Schlapphut kombiniert können dem Kapitän so auch die widrigsten Wind- und Wetterverhältnisse etwas anhaben. Oben Hut unten Bart als optimal männlicher Sonnenschutz, das könnte man aus Piratenfilmen als lessons learned mitnehmen.

Der Nachteil

Ja, auch diese Medaille hat eine Rückseite und auf dieser steht nicht nur der Preis, oder auf welchem Provinzwettkampf man es auf das Siegerpodest geschafft hat, sondern hier steht ein Nachteil, der nicht unterschätzt werden sollte. Salzwasser und Sonne sind eine sehr unangenehme Kombination für Haare. Insbesondere das Barthaar leidet unter diesen Belastungen sehr. Bekommt man bei leichtem Seegang eine Kinderbadewanne voll Seewasser in die Fresse, dann ist das für den Moment recht erfrischend. Der Bart fängt den Großteil ab und es bleibt die kühlende Wirkung des Wassers.

Allerdings hat das Salz im Salzwasser eine stark dehydrierende Wirkung. Das Wasser an sich ist schon schlecht für die Haare, aber wenn auch noch die Sonne und der Wind mitmischen, dann besteht akute Gefahr für den Bart. Das Wasser verdunstet und es bleibt das Salz im Bart zurück. Dort sucht es sich neue Feuchtigkeit und findet sie im Barthaar. Zusätzlich brechen die Salzkristalle das Sonnenlicht ungünstig und verstärken die Sonnenstrahlen, die den Bart zusätzlich austrocknen.

Pflege ist Pflicht

Der Bartträger, ob Pirat, oder Traumschiffkapitän sollte also umfassende Gegenmaßnahmen ergreifen um den Bart aus der Salzkrise zu helfen. Ausspülen sollte der erste Schritt sein. Mit reichlich klarem Wasser sollte das Salz möglichst komplett aus dem Bart gespült werden. Nach Wind und Wetter empfiehlt sich auch eine spezielle Feuchtigkeitskur. Beim Bartöl sollte man nicht sparen und spezielle Regenerierungsmittel einsetzen um dem Bart die Feuchtigkeit zurückzugeben. Weiss man, so wie der verwegene Kapitän, schon morgens, was den Bart erwartet, dann macht Vorbeugen Sinn. Eine großzügige Portion Bartwachs kann einen Schutzfilm um das Barthaar legen und dafür sorgen, dass große Teile des Salzwassers vom Bart abprallen.

Historische Bartpflege

Dass auf den historischen Darstellungen der bärtigen Seefahrer immer makellose Bärte in ausgezeichnetem Zustand dargestellt wurden mag an der künstlerischen Freiheit der Verfasser der Abbilder liegen. Wo heute photogeshopt wird hatte man es damal sowieso leichter. Wer zahlt schafft an und wer zahlt sieht auf dem Portrait natürlich gut an, sonst zahlt er ja vielleicht nicht. Aber auch die Ernährung der Piraten könnte sich positiv auf den Bart ausgewirkt haben. Glaubt man einschlägigen Darstellungen in monumentalen Piratenfilmen, dann bestand die Ernährung eines Kapitäns oft aus saftigen Fleischteilen, die mit fetttriefend mit der Hand zum hungrigen Mund geführt wurden um dort brachial ein ansehnliches Stück mit den Zähnen herauszureissen.

Beim genüsslichen Schmatzen verteilen sich dann noch zusätzlich Öle und Fette im Bart, der schon von der Nahrungszufuhr in Mitleidenschaft gezogen ist. Der Kapitän sorgte als auf natürlichem Weg für eine ordentliche Bartpflege. Rückfettung und Versiegelung war bei so einem Bart das kleinere Problem. Man kann aber davon ausgehen, dass bezüglich des Dufts deutliche Abstriche in Kauf genommen werden mussten. Wer Speisereste im Bart verrotten lässt, der darf olfaktorisch keine hohen Erwartungen haben.

Zwei Klassen Bart

Das mag vielleicht auch eine Erklärung für die Tatsache, dass nur Kapitän und Offiziere Bart trugen. Während die Führungsriege fette Speisen völlerte, knabberte die schlecht bezahlte Crew am Zwieback. Ein aufkeimender Bart beim gemeinen Matrosen war wohl eher eine Qual als ein Genuss. Das trockene Barthaar wird spröde und steif und jede Berührung führt zu unangenehmen Kraftübertragungen in die Haarwurzel, wo die ohnehin schon gereizte Haut juckt und spannt, was das Zeug hält. Wer also anno dazumals nicht reichlich schlemmern durfte, der war im Sinne der eigenen Lebensqualität auch gut beraten sich zu rasieren. So erklärt sich auch, dass der Vollbart damals ein deutliches Zeichen für Macht und Wohlstand war.

Statussymbol

Auch heute zeigt der gepflegte Vollbart, dass hinter ihm ein ganzer Mann steckt. Das höchste und wertvollste Gut in unseren Breiten und unserer Zeit ist die Zeit. Wer also für Wartung und Pflege seines Prachtstücks Zeit investiert, der trägt damit einen großen Reichtum zur Schau. Wer in der hektischen und gestressten Welt, zwischen all den Burn-Out-Fällen nach einer kleinen Wellnessbehandlung im Bad mit gepflegtem Bart, einem zufriedenen Lächeln und der Gewissheit einfach gut auszusehen, in den Alltag einsteigt, der hat einen gewaltigen Vorteil gegenüber der rasierten Männer.

Wer am frühen Morgen schon damit beginnt sich mit einem Elektrogerät mit kreisenden Bewegungen durchs Gesicht zu fahren um die dabei entstandenen mikroskopischen Verletzungen anschließend mit Alkohol zu quälen, der fährt direkt nach dem Tiefschlaf den Stresslevel schon einmal auf den Stand vom Vorabend. Der bärtige, ob Pirat, oder nicht hat ihm gegenüber einen gewaltigen Vorteil. Zwei der wertvollsten Güter unserer Zeit, nämlich Zeit und Gelassenheit spielen bei der Bartpflege eine große Rolle. Wer den Tag gleich am Morgen entschleunigt, der ist reicher als alle Milliardäre, die Forbes jedes Jahr brav auflistet. Wer Bart trägt bereichert sein Leben.

Ein Kommentar

  1. Rasierer Frank

    erstmal ein riesen kompliment für den blog! zu den weltmeeren kann ich auch etwas beisteuern. ich reise gern und bin daher in den verschiedensten breitengraden unterwegs. ich kann hier mit gewissheit aussagen, dass das klima einen enormen einfluss auf bart und generell das haar hat. im großraum ägypten beispielsweise schaut ein bart, gleich der tatsächlichen pflege (die zumeist ausfiel), um einiges besser aus, als hierzulande. auch im russischen raum kann man teils horrende unterschiede feststellen, je weiter man gen süden reist. gerade an der grenze zu kasachstan im neuen sibirien wird man zeuge von ganz eindeutiger anpassung an das klima.
    kannst du hier gründe liefern? würde mich brennend interessieren!
    danke!

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