Phase 5 mit Bart

Ja, das wusste schon Onkel Ben. Mit großer Macht kommt auch große Verantwortung. Bei dieser, von Stan Lee dem Ziehvater von Spiderman in den Mund gelegten Weisheit, ist auch der Vollbart keine Ausnahme. Die Macht, die der gepflegte Gesichtsschmuck mit sich bringt, spiegelt sich wider in den Augen der Bewunderer, die uns auf der Straße fixieren. Es sind die netten fremden Menschen, die uns zu unserem Vollbart gratulieren, die uns immer wieder daran erinnern, was wir ihnen schuldig sind. Die Entscheidung zum Bart liegt für jeden Mann auf der Hand. Gleichzeitig bürdet man sich damit aber auch Verantwortung und Verpflichtungen auf. Wobei Bürden in diesem Zusammenhang wohl das falsche Wort ist. Es ist ein Privileg, den eigenen Bart nicht nur zu tragen, sondern ihn auch zu pflegen und von allen gefährlichen Situationen fernzuhalten. Ziel ist es, ein makelloses Erscheinungsbild zu präsentieren. Damit unterstützt man in erster Linie sich selbst. Sucht man dazu einen altruistischeren Zugang, dann kann man sich vor Augen halten, welche starke Vorbildwirkung man ausübt. Außerdem kann man bei sich selbst beobachten, welche erfreulichen Gefühle und erfrischenden Gedanken sich einstellen, wenn man eine gepflegte Vertreterin des anderen Geschlechts zu Gesicht bekommt. Vergleichbar ist die Wirkung des Vollbarts auf die nichtsahnende Passantin, die das Glück hat, uns auf der Straße zu begegnen.

Bartpflege

Die Bartpflege ist wohl die schönste Pflicht des Mannes. Mit den passenden Materialien und Utensilien wird das Barthaar von innen gestärkt, von außen geformt und bildet, zusammen mit seinen Kollegen, das Gesamtkunstwerk Vollbart. Es gibt unzählige Artikel auf meinem Blog, die die Bartpflege beschreiben und Anleitungen geben, wie auch Du Deinen Bart zu den ganz großen aufschließen lässt. Eine besondere Rolle beim Vollbart spielt dabei der Moustache. Das Barthaar, das die Oberlippe ziert und im Movember dafür sorgen soll, dass seine Träger angesprochen werden, integriert sich im besten Fall komplett in den Vollbart. Die Grenzen verlaufen weich und auch der Träger selbst kann oft nicht auf den ersten Blick sagen, ob ein Haar unter dem Mundwinkel über, oder unter den Lippen entspringt. Viele Männer entscheiden sich gegen einen üppigen Moustache und getreu dem Grundsatz, dass jeder Bart ein guter Bart ist, ist diese Entscheidung auch zu respektieren. Allerdings spricht auch sehr (sehr sehr) viel dafür, auch der Oberlippe eine gepflegte Behaarung zukommen zu lassen.

Moustache

Wer konsequent zum Vollbart greift, der sollte auch zum Moustache greifen. Auch wenn es schlichtweg praktisch ist, die Oberlippe in geringer Länge zu halten, wirkt der Vollbart erst dann richtig, wenn die Oberlippe unter einer gepflegten Haarschicht verschwunden ist. Es muss nicht das Modell Mister L sein und auch das unvergessene NDR-Maskottchen Antje ist in dieser und wahrscheinlich jeder anderen Hinsicht, kein gutes Vorbild. Trotzdem darf es unter der Nase ruhig etwas mehr sein. Betrachtet man wahllos Bilder von Männern mit Vollbärten und achtet dabei besonders auf den Moustache, dann wird eine Korrelation deutlich. Der Wow-Bart, der auf der Netzhaut und im Stammhirn noch Minuten nachwirkt, besteht zu einem Teil aus einem ordentlichen Moustache. Jeder Bart ist ein guter Bart, möchte ich an der Stelle noch einmal wiederholen. Aber auch ein VW Beetle ist ein gutes Auto. Zumindest, wenn man eine Vase am Armaturenbrett möchte. Blümchen pflücken macht im Huracán dann doch mehr Spaß. Nicht zuletzt, weil man einfach schneller am Blümchen ist.

Die Kehrseite

Lebt man auf der richtigen Seite des Vollbartes, trägt ihn also vor sich her und sieht man die Notwendigkeit, einen Moustache zu tragen und zu pflegen, ähnlich wie ich, dann kennt man wohl auch die Kehrseite. Fangen wir mal am Anfang an. Betrachten wir einen weiblichen, oder sehr jungen Menschen und versorgen ihn mit einem Erdbeermarmeladenbrot mit Honig. Die Väter unter uns erinnern sich sicher an den bartlosen Tom, der danach gesucht hat. Hat man Tom, oder einen anderen bartlosen Menschen zur Hand, dann reiche man ihm das besagt Erdbeermarmeladenbrot mit Honig und beobachte den Verzehr desselben. Dabei lohnt es sich, die Oberlippe im Blick zu behalten. Beißt jemand ohne Bart von einem solchen Brot ab, dann erfolgen folgende Schritte:

  • Phase 1: Der Mund wird geöffnet
  • Phase 2: Das Erdbeermarmeladenbrot mit Honig wird einige Zentimeter tief in den geöffneten Mund geschoben
  • Phase 3: Die Ober- und Unterlippe werden etwas zurückgezogen
  • Phase 4: Die Zähne schlagen von der Ober- und Unterseite in das Brot und trennen einen Bissen ab
  • Phase 5: Ober und Unterlippe schließen sich und verhindern, dass Erdbeermarmelade und Honig vom Brot fallen
  • Phase 6: Das Brot wird vom Gesicht wegbewegt und der abgetrennte Bissen bleibt im Mund

Trägt man einen ordentlichen Moustache, dann entfällt Phase 5.

Lustige Bartträger

Tatsächlich ist es ganz unterhaltsam, Bartträgern beim Verspeisen von Nahrungsmitteln zuzusehen, die eine weiche, instabile Oberseite haben. Es gibt ganze YouTube-Videos in denen sich sadistische Food-Voyeure daran erbauen, wie Bartträger Essensteile aus dem Mund, oder in den Bart fallen. Auch der Moustache der Protagonisten bekommt sein Fett weg. Die dargereichten Lebensmittel wurden zu Showzwecken speziell so ausgewählt, dass sie eine Oberfläche aufweisen, die dazu geeignet ist, sich mit Barthaar, speziell der Oberlippenbehaarung, dauerhaft zu verbinden. Saucen, Schaum, geschmolzener Käse und allerhand andere Substanzen werden da in die Oberlippenbärte eingearbeitet. All das nur deswegen, weil Bartträger in erster Linie an ihren Bart denken. Es geht eigentlich nur um Phase 5. Würde man sie als Bartträger ausführen, dann würde man beim Umschließen des Lebensmittels unweigerlich Barthaar an die Oberseite, in unserem Beispiel eine klebrige Mischung aus Erdbeermarmelade und Honig, pressen.

Phase 5

Bei einem Erdbeermarmeladenbrot mit Honig ist die Entscheidung einfach. Pfui Bäh will man nicht im Bart haben. Auch wenn man eine geschickte Zunge hat, lässt sich speziell Honig aus dem Haar nur mit lauwarmen Wasser und einem guten Bartshampoo entfernen. Allerdings ist das kein Grund als Bartträger nachhaltig auf die Phase 5 zu verzichten. Tatsächlich macht der angeborene Vorgang, inklusive des, in der Phase 5 ausgeführten Umschließen des Essens mit den Lippen durchaus Sinn. Trainiert man sich das, dem Moustache zu Liebe ab, dann hat das bei anderen Lebensmitteln auch Nachteile. Tauscht man das Erdbeermarmeladenbrot mit Honig gegen einen brüchigen Keks, dann sieht die Bilanz der Phase 5 mit Vollbart schon viel besser aus. Der Keks wird entlang der Bisskante bersten. (Ein Satz, den ich schon immer einmal schreiben wollte.) Also bestehen die ersten 3 Millimeter des in der Hand verbleibenden Backwerks aus porösem Material. In Phase 6 bewegt sich dann der Keks von uns weg und die Schwerkraft beginnt auf ihn zu wirken. Hat man jetzt, nur weil man es gewohnt ist und weil man den Moustache schonen wollte, die Lippen nicht um den Keks geschlossen, dann wird, je nach Körperlage, der zerkrümelnde Teil sich lösen und nach unten fallen. Die wenigsten von uns werden krümelige Kekse in Baulage, oder mit waagrecht nach vorne gestrecktem Oberkörper konsumieren. Also landet der ganze Schmodder im Bart.

Oben Hui, unten Pfui

Naja, und da beginnt man sich jetzt schon zu fragen, was schützenswerter ist. Habe ich die Wahl, zwei Krümel in den Moustache einzuarbeiten, indem ich beherzt die Lippen um den Keks schließe, oder nehme ich stattdessen in Kauf, dass mir zwei Handvoll Krümel in den Bart fallen, dann muss ich nicht zweimal nachdenken. Es ist also mehr als sinnvoll, situationselastisch die Motorik der Lippen an die Konsistenz des Essens anzupassen. Entscheidungsgrundlagen dafür sind in erster Linie die Beschaffenheit der, der Oberlippe zugewandten Seite und das Verhalten der Speise nach dem Abbeißen. Was oben weich ist, sollte nicht umschlossen werden. Wenn das Essen zerfällt, wenn man erst einmal hineingebissen hat, dann lohnt sich das Schließen der Lippen, auch wenn der Moustache dabei leichte Verunreinigungen erfährt. Auch wenn die meisten Speisen entweder oben weich, oder nach dem Biss instabil sind, gibt es auch Grenzfälle. So haben Döner und manche Pizzen beide Eigenschaften. In dem Fall kann man dem Bartträger eine der folgenden Vorgehensweisen empfehlen. Entweder man verzichtet auf solche Lebensmittel und hält sich an Speisen, die bessere physikalische Eigenschaften mitbringen, oder greift zu Messer und Gabel. Damit lässt sich nahezu alles in mund- und moustachegerechte Happen zerteilen. Eine dritte, wahrscheinlich weit verbreitete Variante ist es, derartige Speisen To-Go zu ordern, nach Hause zu tragen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit im privaten Rahmen, unweit der Dusche, zu konsumieren.

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