Vertrauen, Vollbart und Genuß

Einfach mal zurücklehnen ist etwas, zu dem man heute viel zu selten Gelegenheit hat. Ständig stehen wir unter Spannung und sind gefordert. Die Langsamen und Unachtsamen bestraft das Leben. Also sind wir ständig auf der Hut und sorgen dafür, dass uns nichts entgeht. Zeit ist Mangelware und man muß sich immer wieder entscheiden, was wichtig genug ist, um es in Angriff zu nehmen. Neben dem Zeit- und Leistungsdruck gibt es noch einen dritten Druck, den wir Tag für Tag aushalten müssen. Der Konkurrenzdruck ist in manchen Situationen enorm. Mal eben zurücklehnen und schon übernimmt ein lauernder Kollege eine Aufgabe, die uns weitergebracht hätte. Die Folgen dieses Lebensstils sind mitunter fatal. Es fällt schwer, eine Beziehung ohne Hintergedanken zu führen. Außerdem bleibt eine Sache meist auf der Strecke. Keiner hat Zeit für sich. Dabei können Vertrauen und Genuß, dank des Vollbarts ganz problemlos regelmäßig erlebt werden.

Am Anfang war der Bart

Nun, es ist kein Geheimnis, dass der Bart früher oder später mit der Erfüllung seiner Aufgabe beginnt. Irgendwann in der männlichen Jugend startet er und überzeugt mit einer beispiellosen Ausdauer. Das Barthaar beginnt irgendwann zu wachsen und hört damit, Zeit unseres Lebens, nicht mehr auf. Dabei ist es dem treuen Barthaar auch gleichgültig, ob man es wild und ungezähmt wachsen lässt, Tag für Tag abrasiert, oder es zu einem gepflegten Vollbart gedeihen darf. Es tut, was es tun soll und liefert ein Musterbeispiel für Treue und Pflichterfüllung. Zwei der drei genannten Varianten bedeuten aber, dass man sich dieser Hartnäckigkeit stellen muss. Wer also nicht für Sasquatch-Sichtungen verantwortlich sein möchte, der muss sich mit dem Kürzen der Barthaare auseinandersetzen.

Spitzenschneiden

Bei der Bartpflege kann man grundsätzlich etwas von den Frauen lernen. Zwar unterscheidet sich das feste Barthaar durchaus vom seidigen Haupthaar der langhaarigen Mitbewohnerin, aber über kurz oder lang stößt man auf ähnliche Probleme. Das Barthaar will geglättet und geföhnt werden, muss mit Bartshampoo gewaschen und Bartöl gepflegt werden und sorgt in seiner Gesamtheit für die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit dem Thema Bart. Wachsen lassen beschreibt nur einen kleinen Teil dessen, was dafür notwendig ist, auch unter Kennern als Bartträger zu gelten. Lässt man der Natur ihren Lauf, entwickelt sich, je nach genetischen Voraussetzungen, Testosteronspiegel und ein paar anderer Faktoren, Gesichtsbehaarung. Diese zu einem gepflegten Vollbart aufzuwerten, ist eine Kunst, die einiges an Übung erfordert.

Bewährte Barbierhände

Dem Bartanfänger kann man in jedem Fall eine Sache raten. Lass es einen Profi machen. Klar kann man mit Barttrimmer, Rasiermesser und viel Ambition das Barthaar bändigen. Natürlich führt der geübt versierte Selfservice auch zu überzeugenden Ergebnissen, aber es gibt Dinge, die kann nun mal nur ein Barbier. Dabei spiele ich nicht nur auf die Fingerfertigkeit und die Übung an. So wie sich in der Non-Food-Schütte beim Discounter zwar ein 348-teilige Werkzeugset zum Hammerpreis findet, so ist jedem mit ein wenig handwerklichem Hintergrund klar, dass ein großer Teil davon kaum öfter als einmal seinen Zweck erfüllen wird. Die Teile, die der Normalsterbliche vergeblich im Baumarkt sucht, weil der diskrete Handelsvertreter sie nur ausgewählten Handwerkern mit einem Augenzwinkern überreicht, sind einfach das, was den Profi vom Amateur unterscheidet.

Profi

So ist das auch beim Barbier. Das, was hier an Werkzeug und Pflegemitteln zum Einsatz kommt, kann man in den meisten Fällen nur gegen Vorlage des Meisterbriefs beziehen. Auch die Einrichtung des Barbershops ist etwas, das man daheim nur mit Mühe und toleranten Mitbewohnern zusammenstellen kann. Begonnen beim Barberchair bis zum Handtuchwärmer kommt auch hier eine Austattung zum Einsatz, die nur Sinn macht, wenn man mehr als einen Bart pflegt. Allerdings ist der Barbershop des Vertrauens eben auch Vertrauenssache. Wer da und dort mitliest, wo sich Bartträger austauschen, der findet zwei unangenehme Vorfälle, die sich scheinbar immer und immer wieder wiederholen. Auf der einen Seite ist es der Bartunfall. Mal eben das Messer dort angesetzt, wo es nicht geplant war, oder mit einem Elektrogerät die falsche Schnittlänge verwendet. Schon zieht sich eine Furche durch den Bart, die man nur ausbügeln kann, indem man sie auf den Rest des Bartes ausweitet. Aber auch der enttäuschende Besuch beim Barbier wird immer wieder beklagt.

Schlechte Erfahrungen

Bewertungen mit Sternen und Erfahrungen, die andere Kunden teilen, sind heute ein wichtiger Teil der Recherchen, die wir durchführen, bevor wir für etwas Geld ausgeben. Websites, wie ErfahrungenScout ermöglichen die Erfassung von Bewertungen und Kommentaren und geben so einen Überblick über die Qualität von Waren und Dienstleistungen. Sucht man einen Barber, dem man sein Vertrauen schenken möchte, dann macht das Lesen von Erfahrungsberichten auf jeden Fall Sinn. Es gibt aber auch ein paar andere Kennzeichen, an denen man erkennt, ob ein Barbier vertrauenswürdig ist.

Mein Barbier

Der Barbier wird mit seinen Händen viel Zeit in deinem Bart verbringen. Dabei kommt er Dir mitunter auch näher und fixiert sein Arbeitsfeld. Abgesehen davon spricht der gute Barbier mit seinen Kunden. Für all diese Dinge ist es ein großer Vorteil, wenn der Typ Dir grundsätzlich nicht unsympathisch ist. Du bist der Kunde und kannst Dir Deinen Barbier selbst aussuchen. Sagt Dir Dein Bauch, dass Du jemanden nicht unbedingt in Deiner Nähe haben willst, dann hör auf Deinen Bauch. Wir haben nämlich mehr Nervenzellen im Verdauungstrakt als ein Hund in seinem Kopf. Sendet dieses Zweithirn über den Nervus vagus ein klares „Dreh Dich um und geh“ nach oben, dann hat das Gründe, die das Ersthirn noch nicht versteht. Meist liegt der Bauch aber richtig. Du solltest Dich beim Barbier wohlfühlen. Eine authentische Einrichtung, eine Stimmung, die zum Entspannen einlädt und natürlich Menschen, denen man die Liebe zu ihrem Beruf ansieht, sind gute Voraussetzungen für eine lebenslange Beziehung.

Barbershopschwemme

Mit dem Barbershop ist es in letzter Zeit so eine Sache. Geht man mit offenen Augen durch eine beliebige Großstadt, dann fällt der Schriftzug Barbershop an jeder zweiten Ecke ins Auge. Offensichtlich haben viele den Trend erkannt und statt Friseur jetzt Barbershop über dem Laden stehen. Aber nicht jeder, der es nach einer Insolvenz diesmal als Haarkünstler versucht, ist auch gleich ein Handwerker, dem man sich vertrauensvoll unters Messer legen sollte. Natürlich muss man sich nicht die Ausbildungsnachweise vorlegen lassen, hat man aber Zweifel an der Kompetenz, dann lohnt es sich, ein wenig Zeit zu investieren.

Barbercheck

Ein paar Dinge kann man mit wenig Zeitaufwand unmittelbar abchecken. Stehen zwei von drei Barbieren gelangweilt herum, während der Dritte Moorhühner jagt, oder Zivilisationen aufbaut, dann ist das ein Indiz dafür, dass der Barber nicht überlaufen ist. Das ist schlecht, weil tatsächlich ist jeder gute Barber überlaufen. Mal eben vorbeikommen, zehn Minuten warten und Haarschnitt und Bartpflege zu bekommen, ist die absolute Ausnahme. Kommen und Termin ausmachen ist die Regel, weil anrufen ist oft schwierig. Die Jungs haben zu tun und haben keine Zeit zu telefonieren. Ist es unmöglich einen Termin zu bekommen, dann ist das nichts negatives. Hier lohnt sich das Warten dann auch. Handelt es sich um einen Meister mit hochzufriedener Stammkundenschaft, dann wird man nach der mehrwöchigen Wartezeit auf jeden Fall entschädigt. Aber auch, wenn der Kollege es eben erst als Berufung erkannt hat, ist Wartezeit nicht schlecht. So kann er noch ein wenig üben, bis man selbst an die Reihe kommt.

Einrichtung

Die Einrichtung des Ladens, den jemand mit Barbershop beschriftet hat, gibt auch Aufschluss darüber, ob die Beschriftung wohlüberlegt war. Da gibt es einerseits die Barberchairs. Auf den Bedienplätzen stehen Stühle. Der normale Friseurstuhl kann in der Höhe verstellt werden. Die Lehne ist nicht zu hoch, damit man auch die Nackenhaare frisieren kann. Der Barberchair verfügt darüber hinaus über eine Kopfstütze. Wie im Auto kann ein schmaler Polster am Stil aufgesteckt, oder herausgezogen werden und bietet in der Liegeposition Platz für einen Kopf. Bartschneiden im Sitzen ist für den Barbier und den Kunden eine Herausforderung. Der Kopf muss in den Nacken und dafür kann man den Barberchair kippen. Fehlen die Kopfstützen, dann ist das kein Pluspunkt für den Barbier.

Hot Towel

Neben dem obligatorischen Rasiermesser, dass der gute Barbier neben Scheren und Kämmen griffbereit hat, braucht es für eine Rasur auch ein Handtuch. Der Barbier, der seinen Laden zurecht mit Barbershop beschriftet hat, besitzt einen, oder mehrere Handtuchwärmer. Es darf auch eine Mikrowelle sein, solange damit Handtücher erwärmt werden. Das feuchte Rasierhandtuch wird damit warm gemacht und zum Öffnen der Poren nach der ersten Schicht Rasierschaum auf die Haut gelegt. Oft ist der Handtuchwärmer versteckt und steht hinter den Kulissen. Fehlen sollte er aber nicht.

Einheitsschnitt

Hat man etwas mehr Zeit mitgebracht und gibt es auch Kunden, die bedient werden, dann kann man recht einfach die Qualität der Arbeit überprüfen. Man muss sich lediglich die Kunden ansehen. Betrachtet man bei den Kunden, die den Laden verlassen, Haar und Vollbart, dann stellt man beim weniger empfehlenswerten Barbier fest, dass es offensichtlich einen Hintereingang gibt. Hat man den Eindruck, dass da immer wieder derselbe Mann aus dem Laden kommt, dann ist das ein klares Minus. Es könnte sein, dass der Figaro bei der Ausbildung nach dem ersten Haarschnitt ausgestiegen ist. Statt Stilberatung und Eingehen auf Wünsche und Besonderheiten, wird jedem der Einheitsschnitt verpasst. Findet man Frisur und Bart toll und will genau so aussehen, dann hat man den Barbier gefunden, den man verdient hat. Legt man aber Wert darauf, sich von den 7,7 Milliarden Menschen zu unterscheiden, dann wäre vielleicht ein Kollege mit einem ausgeprägterem Repertoire die bessere Wahl.

Tippgeber

Auch wenn die EU Whistleblowerrichtlinie noch nicht rechtskräftig umgesetzt ist, haben Tippgeber schon heute eine wichtige Stellung. Wer bei der Suche nach einem Barbier, dem er sein Vertrauen schenken kann, verzweifelt, der findet bei anderen Bartträgern vielleicht eine Lösung. Die Zielgruppe, an die man sich wenden sollte, sind Männer, die ihren Bart mit Stolz tragen. Gepflegte Vollbärte, die angenehm duften und seidig glänzen. Ab einer Handbreit Länge ist die Chance, dass der Bartträger regelmäßig beim Barbier vorspricht, sehr hoch. Fragen in Gruppen und Foren sind eine Möglichkeit, aber auch das Ansprechen anderer Bartträger auf der Straße ist nichts Verwerfliches. Würde man mich nach meinem Barbier fragen, würde mich das sehr freuen. Einerseits hat mein Bart wohl überzeugt und die Bartpflege macht sich bezahlt. Andererseits kann ich meinem Barbier weiterempfehlen. Das kann ich mit ruhigem Gewissen.

Vertrauen und Genuß

Hat man den Barbier seines Vertrauens gefunden, dann entwickelt sich eine Art lockere Freundschaft, oder zumindest eine gute Bekanntschaft. Klar ist der Stellenwert beim jeweils anderen ziemlich unterschiedlich. Ich habe genau einen Barbier, mein Barbier hat aber wohl hunderte Kunde. Trotzdem gibt es Themen, die wir bei jedem Termin wieder diskutieren. Geschichten, die sich weiterentwickelt haben und Erkundigungen zu verschiedenen Projekten und Themen. Auch wenn ich einmal quer durch die Stadt muss, wenn ich meinen Termin wahrnehme, würde ich meinen Bart niemand anderem anvertrauen. Auch wenn wir uns oft intensiv unterhalten, Witze und Anekdoten erzählt werden und wir uns über den Bart austauschen, gibt es ein Thema, über das wir nicht sprechen. Zwei Worte reichen aus, um das, was man einem Außenstehenden in zehn Minuten nicht erklären könnte, zu thematisieren. Ein kurzes „Wie immer“ und schon kann ich vertrauen und genießen.

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